Gemeinschaftsausstellung der Galerie Propaganda (Warschau) und des Museum Jerke in Zusammenarbeit mit der Kirche St. Peter in Recklinghausen und dem Polnischen Institut Düsseldorf
Oktober-November 2017
1984 war das Orwell-Jahr. Es war auch das dritte Jahr des Kriegsrechts in Polen. Und es war das Jahr der Ermordung des Priesters Jerzy Popiełuszko durch die Geheimpolizei – ein Verbrechen, das die Welt erschütterte und das wahre Gesicht des kommunistischen Regimes offenbarte. Die Machthaber schreckten nicht einmal davor zurück, einen Menschen brutal zu ermorden, der zu Frieden und Barmherzigkeit aufrief. Dieses Ereignis lässt sich nur schwer aus dem Kontext jener Jahre herausreißen, die Medien präsentierten damals mit einer wilden Genugtuung, vielleicht auch zur Warnung, immer wieder die Bilder des an Händen und Füßen gefesselten Leichnams des Priesters.
Zuvor war in Paris Czesław Miłoszs Übersetzung des Buchs der Psalmen erschienen. Mindestens zwei Jahre lang begleiteten mich Anfang der achtziger Jahre diese Psalmen auf Schritt und Tritt. Die vor mehr als zweitausend Jahren zum Ruhme Gottes geschriebenen Verse passten ausgezeichnet in die finstere Wirklichkeit, die mich damals umgab.
Ich wollte das Grauen, die Angst und zugleich den Ekel angesichts des an Priester Popiełuszko begangenen Verbrechens malen. Den – wie sich später herausstellen sollte, prophetischen – Titel der Arbeit entlehnte ich den Psalmen: Denn viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt. In ihm artikuliert sich das Entsetzen nicht nur über das Verbrechen, sondern über Gottes Pläne, die aus menschlicher Perspektive manchmal grausam erscheinen.
Jede der großformatigen Arbeiten bezieht sich auf ein konkretes Zitat aus dem Psalmen. Den Zwiespalt eines jungen Menschen, ob er emigrieren oder im Land bleiben soll, habe ich durch das Bild eines marschierenden roten Mannes vor blauem Hintergrund illustriert (Hoffe auf den Herrn und tue Gutes, bleibe im Lande und nähre dich redlich). Er hält die nepalesische Flagge und trägt Schnabelschuhe als Symbol des Respekts vor der Erde, die man nicht verletzen darf, und zugleich der völligen Loslösung von der materiellen Ordnung, in die man mich hineinpressen wollte. Nepal ist schließlich das Land, das dem Himmel am nächsten ist.
Anschließend folgen weitere Protagonisten der Farce, die vor unseren Augen aufgeführt wurde. Das Regime fühlte sich seiner Sache zunehmend sicher. Das Jahr 1984 ging zu Ende, und es sah nicht so aus, als würde sich Andrei Amalriks Weissagung vom Ende der UdSSR erfüllen. Ein Panoptikum von Gestalten, die in die in jener Welt so beliebten Uniformen – oder in Anzüge nicht unbedingt von der besten Qualität – schlüpften und mit unerhörter Arroganz und unerhörtem Hochmut ihren Triumph herausposaunten. Ihre Selbstsicherheit inspirierte mich zu einem Bild, auf dem eine Gestalt in Pseudouniform – fast mit einer Teufelsklaue – den Schatten einer grünen Zeder wirft (Ich habe einen Gottlosen gesehen, gewalttätig und sich erhebend wie eine üppige Zeder). Wobei der Schatten, seinem Wesen entsprechend, nicht unbedingt grün ist.
Eine weitere Arbeit versinnbildlicht sehr schön die leuchtende Klarheit, die uns damals geschenkt wurde: Der Frevler droht dem Gerechten und knirscht mit seinen Zähnen wider ihn. Ich hatte damals nicht den geringsten Zweifel, auf wessen Seite die Gerechtigkeit stand, wer Recht hatte und wer nicht. Doch ich kannte auch den Zustand der ständigen Bedrohung vonseiten des Frevlers, der insgeheim mit den Zähnen gegen uns knirschte. Das war ein Geisteszustand, eine existenzielle Erfahrung. Ich beschloss, ihm in diesem Teufelsbild Ausdruck zu verleihen.
Inzwischen sind dreißig Jahre vergangen. All diese Arbeiten haben erstaunlicherweise ihre ursprüngliche Frische bewahrt: Die Farben sind nicht verblasst, das Papier ist nicht verwittert. Sogar ihre Aussage hat sich gehalten und trifft uns noch immer mit ihrer erschreckenden Aktualität.
Paweł Kowalewski
Arbeiten in der Kirche St. Peter in Recklinghausen
• Knuje nieprawy przeciw sprawiedliwemu i ostrzy na niego zęby – Ps 37,12 (Buch der Psalmen)
Der Frevler droht dem Gerechten und knirscht mit seinen Zähnen wider ihn.
• Widziałem nieprawego w wielkiej potędze, rozpierał się jak cedr zielony – Ps 37,35 (Buch der Psalmen)
Ich habe einen Gottlosen gesehen, gewalttätig und sich erhebend wie eine üppige Zeder.
• Bo wielu jest powołanych, lecz niewielu wybranych – Mt 22,14 (Matthäus-Evangelium)
Denn viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt.
• Zaufaj Panu i czyń dobrze, mieszkaj w kraju i bądź wierny – Ps 37, 3 (Buch der Psalmen)
Hoffe auf den Herrn und tue Gutes, bleibe im Lande und nähre dich redlich.
Arbeiten im Museum Jerke:
Bilder:
Ja zastrzelony przez indian / Ich erschossen von Indianern, 1982, Öl auf Leinwand
Patologia / Pathologie, 1986, Öl auf Leinwand
Plastiken:
Projekt pomnika wszystkich tych, którzy byli, są i będą przeciw / Entwurf eines Denkmals für all jene, die dagegen waren, sind und sein werden
Strasznie dziwnie się poczułem dziś rano / Heute morgen fühlte ich mich furchtbar seltsam
Jedyne idealne połączenie malarstwa i rzeźby / Die einzige ideale Verbindung von Malerei und Plastik
Wszystko co się materii przytrafia zawarte jest w jej pojęciu / Alles was der Materie widerfährt, ist in ihrem Begriff enthalten
Lenin jakim go pamiętam z dzieciństwa / Lenin wie ich ihn aus der Kindheit erinnere
Złoty Zachód / Goldener Westen
Mały wszawy piesek / Kleiner räudiger Hund
Wyłupione oko Boga / Das herausgerissene Auge Gottes
Światłość / Licht
Paweł Kowalewski (geb. 1958). Von 1978-1983 Malerei-Studium an der Kunsthochschule in Warschau. Mitbegründer von Gruppa, einer der führenden Künstlergruppen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Kowalewskis Werk umfasst verschiedene Gattungen: Gemälde auf Leinwand und Papier, Plastiken (kleine Formen aus Modelliermasse) sowie – in der letzten Phase seines öffentlichen Schaffens – Installationen und Ready mades. Seit 1985 lehrt er an der Abteilung für Industriedesign der Kunsthochschule in Warschau, derzeit als Professor.
Aus dem Polnischen von Bernhard Hartmann